Browsing by Subject "Kleinstrukturierte Gebiete"
Now showing 1 - 1 of 1
- Results Per Page
- Sort Options
Publication Digitalisierung der Landwirtschaft bei agrarstrukturellen Unterschieden und Möglichkeiten der überbetrieblichen Zusammenarbeit(2024) Gscheidle, Michael; Doluschitz, ReinerVor dem Hintergrund des Megatrends Digitalisierung und dem voranschreitenden Strukturwandel in der Landwirtschaft liefert die vorliegende Dissertation Erkenntnisse über die Bedeutung und die Perspektiven der Digitalisierung in der Landwirtschaft in Deutschland. Dabei sind die landwirtschaftlichen Betriebe wie auch überbetriebliche Kooperationsformen zentrale Untersuchungsgegenstände. Es werden unter Berücksichtigung agrarstruktureller Unterschiede mögliche Kooperationsformen (z.B. Maschinengemeinschaft, Maschinenring) benannt, durch die es landwirtschaftlichen Betrieben in kleinstrukturierten Regionen besser gelingen kann, an den Vorteilen des Megatrends Digitalisierung zu partizipieren und gleichzeitig dem Strukturwandel aktiv zu begegnen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die befragten Landwirte in Deutschland überwiegend der Bedeutung der Digitalisierung bewusst sind und dass sie bis ins Jahr 2030 einen signifikanten Bedeutungszuwachs erwarten. Der Digitalisierung in der Landwirtschaft kommt im Nordosten Deutschlands eine signifikant höhere Bedeutung zu als im Südwesten und je mehr landwirtschaftlich genutzte Fläche ein Betrieb bewirtschaftet, desto mehr nimmt diese Bedeutung zu Darüber hinaus gibt die vorliegende Arbeit einen Überblick über den aktuellen Stand des Einsatzes digitaler Technologien in der Pflanzen- und Tierproduktion. Das Modell von Porter und Heppelmann (2014) dient dabei der modellbasierten Kategorisierung innerhalb klar definierter Systemgrenzen der in der Praxis verwendeten digitalen Landtechnik. Für Betriebe der Pflanzenproduktion sind derzeit IT-Systeme (84,5 %) und Systeme zur Unterstützung der Datenerfassung, des Datenmanagements und der Datenanalyse (69,6 %) am relevantesten. Das zeigt, dass aussagekräftige Daten als Grundlage für betriebliche Entscheidungen bereits heute notwendig sind und genutzt werden. Dabei sind die Rechtsform, die Flächenausstattung und der Bildungsstand der Landwirte und Mitarbeiter strukturgebende Parameter. Rinderhaltende Betriebe setzen vermehrt Sensoren für die Erfassung der Prozessdaten von technischen Anlagen (43,8 %) und für Dokumentationszwecke der Tieraktivitäten (42,9 %) ein, schweinehaltende Betriebe nutzen dagegen vor allem automatische Lüftungsanlagen (96,0 %) und automatische Fütterungsanlagen (94,0 %). Smartphones mit ihren mobilen Anwendungen sind durch ihre Multifunktionalität, Mobilität und hohe Datenverarbeitungskapazität zum permanenten Begleiter der Landwirte im Alltag geworden. Ihnen kommt bereits heute eine zentrale Bedeutung im Betriebsalltag zu. Für die Pflanzenproduktion (46,9 %; n=569) sind deutlich mehr mobile Anwendungen verfügbar als für Betriebszweige der Tierhaltung (28,6 %; n=347). Ein Großteil (41,4 %; n=503) dient der Bereitstellung von Informationen oder zur Dokumentation (17,5 %; n=212) und Analyse (16,1 %; n=195). Zentrale Gründe für diese Verteilung können die zunehmenden Nachweispflichten für Landwirte und der gesteigerte Wert von Daten für Analyse- und Berichtszwecke sein. Ein deutschlandweit geltender Standard zum Stand der Technik in der Pflanzen- und Tierproduktion kann nicht definiert werden. Vielmehr ist nach wie vor eine standortbezogene Differenzierung des aktuellen Standes der Technik in der Pflanzen- und Tierproduktion notwendig. Der mit der Digitalisierung einhergehende Ressourcenaufwand in Form von Investitionskapital, Arbeitszeit und Lern- bzw. Informationsaufwand hemmt weiterhin den Fortschritt der Digitalisierung, gerade auch in kleinstrukturierten Gebieten. Die damit verbundenen Transaktionskosten können kleine und mittelgroße landwirtschaftliche Betriebe daran hindern, einzelbetrieblich in digitale Technologien zu investieren. Größere Betriebe können diese Ressourcen eher aufbringen Für landwirtschaftliche Betriebe in kleinstrukturierten Gebieten stellt daher der überbetriebliche Einsatz digitaler Landtechnik über die bereits etablierten Maschinenringstrukturen einen zentralen Lösungsansatz dar. Durch den Einsatz digitaler Technologien über Maschinenringe besteht das Potential, die anfallenden Transaktionskosten zu senken. Gerade für die Landwirte in kleinstrukturierten Gebieten, die aufgrund zu geringer Auslastung von kapitalintensiven Anlagegütern die Wirtschaftlichkeitsschwelle nicht erreichen oder die eine eigenbetriebliche Anschaffung aus Zeitgründen wegen des damit verbundenen Erwerbs von neuem Wissen verwerfen, kann dieser Lösungsansatz eine Chance sein, um am Megatrend Digitalisierung zu partizipieren. Über kurz oder lang werden die landwirtschaftlichen Betriebe in kleinstrukturierten Gebieten schließlich ebenfalls wesentliche Gegenstände der voranschreitenden Digitalisierung sein. Um die damit einhergehenden möglichen Auswirkungen (z.B. Veränderung von Arbeitsprozessen, Steigerung der Work-Life-Balance) auf das persönliche und betriebliche Umfeld von Betriebsleitern zu untersuchen, wurden mit Hilfe einer explorativen Faktorenanalyse vier Wirkungsfaktoren (bereichsübergreifende Transformation, Fremdleistung ersetzt Eigenleistung, immaterielle Herausforderungen, Work-Life-Balance) identifiziert. Hierbei wird deutlich, dass mit dem überbetrieblichen Einsatz von digitaler Landtechnik die immateriellen Herausforderungen wie zum Beispiel der zielgerichtete Umgang mit generierten Datenmengen, die psychische Belastung durch mehr Büroarbeit und digitale Kommunikation oder die Notwendigkeit, sich neues Wissen anzueignen, zunehmen können. Mit der Etablierung digitaler Ansätze in der Landwirtschaft gehen somit auch veränderte berufliche Anforderungen an die Landwirte einher. Um diesen bestmöglich gerecht zu werden, bedarf es neben der Anpassung von Ausbildungsinhalten im Beruf Landwirt auch die Entwicklung der Fort- und Weiterbildungsangebote, durch die Landwirte erfahren und lernen können, sicher und souverän mit digitalen Technologien in der Außen- und Innenwirtschaft umzugehen. An dieser Stelle können Maschinenringe sowie andere Organisationen, die ebenfalls die überbetriebliche Arbeitserledigung im Fokus haben (z.B. BLU Bundesverband Lohnunternehmen e.V.) ihr Leistungsangebot für ihre Mitglieder und Kunden erweitern, indem sie bei der Vermittlung passender Schulungs- und Weiterbildungsangebote helfen oder diese sogar zielgerichtet auf den Bedarf ihrer Mitglieder selbst anbieten können. Zum besseren Verständnis des digitalen Transformationsprozesses in kleinstrukturierten Gebieten und zur Absicherung von einschlägigen Prognosen werden im Rahmen dieser Dissertation betriebliche und soziodemografische Merkmale analysiert, die einen möglichen Einfluss auf die überbetriebliche Nutzung von digitaler Landtechnik haben. Dafür wurden Ergebnisse einer schriftlichen Online-Befragung, an der Landwirte aus Süddeutschland teilnahmen, mittels einer binären Regressionsanalyse ausgewertet. Als Ergebnis wurden acht Prädiktoren identifiziert, von denen drei einen positiven Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit haben, dass digitale Landtechnik überbetrieblich eingesetzt wird: die Verfügbarkeit von zwei Fremdarbeitskräften, der Betriebsschwerpunkt „Veredelung“ oder der Betriebsschwerpunkt „Sonstiges“ wie z.B. Pensionspferdehaltung oder Mast. Betriebe, die kleiner als 200 Hektar sind, ihre Hofnachfolge nicht geklärt haben oder deren Betriebsleiter jünger als 30 Jahre alt sind, setzen digitale Landtechnik mit einer höheren Wahrscheinlichkeit nicht überbetrieblich ein. Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation, dass der überbetriebliche Einsatz digitaler Landtechnik in kleinstrukturierten Gebieten Deutschlands neben Chancen (z.B. Erleichterungen bei Dokumentationspflichten, Entlastung bei Routinetätigkeiten, Partizipation am Megatrend Digitalisierung) auch Herausforderungen (z.B. Wissenserwerb, Veränderung von Arbeitsprozessen) und Risiken (z.B. Datenschutz, Datenhoheit, Systemabhängigkeit) für die Betriebe und ihre Betriebsleiter mit sich bringen kann.